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ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/053

Zeug­nis - Ver­zicht auf Zeug­nis per Ver­gleich

Aus­gleichs­klau­sel in Pro­zess­ver­gleich kann Ver­zicht auf Zeug­nis ent­hal­ten: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 06.12.2011, 3 Sa 1300/11
Zeugnis mit Stempel, Datum und Unterschrift Bei Aus­gleichs­klau­seln ist Vor­sicht ge­bo­ten

02.02.2012. Ar­beit­neh­mer kön­nen bei Be­en­di­gung des Ar­beits­ver­hält­nis­ses ein Zeug­nis ver­lan­gen. Die­ses Recht folgt aus § 109 Ge­wer­be­ord­nung. Der Zeug­nis­an­spruch als sol­cher nutzt aber prak­tisch we­nig, da es beim The­ma Zeug­nis nicht auf das "Ob", son­dern auf das "Wie" an­kommt: Mit ir­gend­ei­nem Zeug­nis "mitt­le­rer Art und Gü­te" ist Ar­beit­neh­mern nicht ge­hol­fen, son­dern nur mit ei­nem gu­ten Zeug­nis.

En­det ei­ne Kün­di­gungs­schutz­kla­ge mit ei­nem Ver­gleich, ist es da­her üb­lich, das Zeug­nis "mit­zu­ver­glei­chen", d.h. in den Ver­gleich ei­ne Re­ge­lung auf­zu­neh­men, die dem Ar­beit­neh­mer ein Zeug­nis mit ei­ner be­stimm­ten (gu­ten) No­te zu­si­chert. Noch bes­ser ist es aus Ar­beit­neh­mer­sicht, wenn der Text des Zeug­nis­ses ver­bind­lich ab­ge­stimmt wird, d.h. wenn der Ar­beit­ge­ber sich ver­pflich­tet, ei­nen dem Ver­gleich als An­la­ge bei­lie­gen­den Zeug­nis­text oh­ne Än­de­run­gen in das Zeug­nis zu über­neh­men.

Da­ge­gen ist ei­ne Kün­di­gungs­schutz­kla­ge im Er­geb­nis schlecht ge­lau­fen, wenn der Ver­gleich gar kei­ne Re­ge­lung über das Zeug­nis ent­hält. Denn dann müss­te der Ar­beit­neh­mer, falls der Ar­beit­ge­ber ein Zeug­nis nicht frei­wil­lig er­teilt, noch ein­mal kla­gen, nur dass er in ei­nem sol­chen Fol­ge­pro­zess kei­ner­lei wirk­sa­mes Druck­mit­tel hat: Denn in der Re­gel ist ist der Ar­beit­ge­ber nur dann zu Zu­ge­ständ­nis­sen be­reit, so­lan­ge die Be­en­di­gung des Ar­beits­ver­hält­nis­ses noch un­ge­wiss ist.

Am schlech­tes­ten steht der Ar­beit­neh­mer da, wenn in ei­nem ge­richt­li­chen Ver­gleich nicht nur kei­ne Re­ge­lung über ein Zeug­nis ent­hal­ten ist, son­dern wenn der Ver­gleich au­ßer­dem ei­ne Aus­gleichs­klau­sel ent­hält, der zu­fol­ge mit dem Ver­gleich al­le ge­gen­sei­ti­gen An­sprü­che ab­schlie­ßend ge­re­gelt und er­le­digt sind. Dann kann der Ar­beit­neh­mer mög­li­cher­wei­se gar kein Zeug­nis mehr ver­lan­gen - auch nicht in ei­nem wei­te­ren Pro­zess. So je­den­falls hat vor kur­zem das Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg ent­schie­den (Ur­teil vom 06.12.2011, 3 Sa 1300/11).

Im Streit­fall ei­nig­te sich ein über 60jähriger Ver­triebs­in­ge­nieur mit sei­nem Ar­beit­ge­ber im Rah­men ei­nes Kün­di­gungs­schutz­pro­zes­ses vor dem LAG auf ei­nen Ver­gleich, der die Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­ver­hält­nis­ses vor­sah. Zu­vor hat­te er an­ge­deu­tet, sich zur Ru­he set­zen zu wol­len. Das The­ma Zeug­nis spiel­te bei den Ver­hand­lun­gen da­her kei­ne Rol­le.

Der Ver­gleich ent­hielt ei­ne Aus­gleichs­klau­sel, der zu­fol­ge „sämt­li­che ge­gen­sei­ti­gen An­sprü­che ... aus­ge­gli­chen“ sein soll­ten. Der Ar­beit­ge­ber ver­wei­ger­te da­her spä­ter die Zeug­nis­er­tei­lung. Zu Recht, mein­ten das Ar­beits­ge­richt Ebers­wal­de (Ur­teil vom 10.05.2011, 2 Ca 995/10) und das LAG. Denn die Aus­gleichs­klau­sel war um­fas­send for­mu­liert und be­inhal­te­te da­her auch den An­spruch auf ein Zeug­nis, so die Ge­rich­te.

Das LAG ließ die Re­vi­si­on zum Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) zu. Das BAG hat­te näm­lich in ei­ner Ent­schei­dung aus den 70er Jah­ren die An­sicht ver­tre­ten, dass ei­ne in ei­nem Ver­gleich ent­hal­te­ne Aus­gleichs­klau­sel den An­spruch auf ein Zeug­nis nicht er­fasst. Al­ler­dings woll­te das BAG den Ar­beit­neh­mer da­mit vor ei­nem ver­se­hent­li­chen Ver­zicht auf sein Zeug­nis schüt­zen, so dass die­se Recht­spre­chung auf Fäl­le wie den vor­lie­gen­den nicht passt. Denn hier im Streit­fall war aus­führ­lich und lan­ge über al­le In­hal­te des Ver­gleichs ge­spro­chen wor­den, und der Ar­beit­neh­mer hat­te si­gna­li­siert, sich zur Ru­he set­zen zu wol­len.

Fa­zit: Im Re­gel­fall muss ein ar­beits­ge­richt­li­cher Be­en­di­gungs­ver­gleich aus Ar­beit­neh­mer­sicht zwin­gend ei­ne kon­kre­te Re­ge­lung zum The­ma Zeug­nis ent­hal­ten. Die­se Re­ge­lung muss sich zu­min­dest auf die No­te und die Pflicht des Ar­beit­ge­bers zur Auf­nah­me ei­ner ab­schlie­ßen­den Dan­kens- und Be­dau­erns­for­mel er­stre­cken. Wer als Ar­beit­neh­mer-An­walt dar­an nicht denkt, hat ei­nen gra­vie­ren­den Feh­ler be­gan­gen.

Nä­he­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 1. Juni 2014

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